Fleisch von Schwänen auf den Festtafeln der Fürsten
Die Ethik in der Jagd ist - historisch gesehen - langsam auf den heutigen Stand mit naturschützerischen Ambitionen gewachsen, und Schwäne zu jagen ist heute unmöglich - sie stehen unter Schutz.
Im Mittelalter war die Schwanenjagd aber ein reizvolles Vorrecht des feudalen Adels; sie gehörte in Deutschland zur "hohen Jagd" - nur "hohe Tiere" jagten "hohes Wild" -, und die weißen Vögel wurden nicht mit Schrot geschossen, sondern mit der Kugel gestreckt. Der Handel mit Schwanenfedern war im Mittelalter in vielen Ländern ein Privileg der Fürsten, und die untertänigen Jäger und Fischer hatten ihre Beute am hoheitlichen Hof abzuliefern. Besonders geschätzt waren die flaumweichen und schneeweißen Dunen - sie sollen so gut wie die berühmten Eider(enten)dunen sein. In Nordeuropa war das Fleisch des Singschwanes als Ergänzung zu der relativ fleischarmen Ernährung der Bevölkerung sehr geschätzt. Da die Vögel sich zur jährlich wiederkehrenden Mauser, dem Gefiederwechsel, an bestimmten Regionen sammelten, war es wegen ihrer temporären Flugunfähigkeit sehr einfach, sie einzufangen. In Island nahm man abgerichtete Hunde, um die flugunfähigen Schwäne einzukesseln, und in Russland dienten Segelboote, von denen aus Netze geworfen wurden, um diese samt den Vögel ans Ufer zu ziehen. In manchen Gegenden war es üblich, das Brustfleisch wegen des guten Geschmacks wie Gänsebrüste zu räuchern.
In England wurden in früherer Zeit junge Schwäne mit Gerste gemästet und im November geschlachtet - sie hatten dann ein Gewicht von bis zu 14 Kilogramm. Der Köthener Alt-Ornithologe Johann Friedrich Naumann berichte ( 1842 ), dass wilde ( Höcker-)-Schwäne außerordentlich scheu sind und sich in der kalten Jahreszeit vergleichbar mit der Saatgans an abgelegenen und daher einsamen Stellen der Natur aufhalten - derart scheue Höckerschwäne wird man heute nicht mehr finden, seitdem diese nicht mehr gejagt werden. Naumann berichtete, dass das Fleisch alter Schwäne "zäh und saftlos" sei und einen "unangenehm ranzigen Geschmack" aufweise. Das Fleisch von Jungschwänen dagegen gibt er als "sehr wohlschmeknd an, das einen vorzüglichen Braten abgeben kann".
Das wusste auch das Team der Köche für die Vermählungsfeier des polnischen Herzogs und späteren Kurfürsten von Brandenburg, Johann Sigismund, mit seiner Gemahlin Anna von Preußen - im Jahre 1594. Zu den überlieferten enormen Wildbretmengen, die verspeist wurden, gehörten neben Fleisch vom Wisent, Schwarzwild, Reh und Hasen auch eine beträchtliche Anzahl von Federwild - darunter auch fünf "Wildschwäne". Anlässlich unseres Besuches der Eremitage in Sankt Petersburg erblickten wir auf zahlreichen Gemälden, die fürstliche oder bäuerliche "Fressgelage" wiedergaben, viel dekorativ drapiertes Federvieh, was unseren Sohn zu einer ornithlogischen Bestimmung und Entdeckung animierte - es waren häufig auch Schwäne dabei.
Fontane erwähnte in einem Aufsatz in seinen "Wanderungen durch die Mark" über die Potsdamer Havelschwäne, dass versucht wurde, diese zu bejagen. Das missglückte jedoch, weil die Vögel zu zahm waren, so dass ein waidgerechtes Jagen nicht möglich war, sondern nur ein bloßes "Totschießen". Lohnende Ziele waren ausschließlich die Tiere, die sich auf entfernteren Teichen der Havel bei Potsdam angesiedelt hatten; aber die Schönheit der Vögel und deren leichte Erlegbarkeit ließen derartige Jagden wenig befriedigend erscheinen. Erst die zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts aufblühende Naturschutzbewegung bewirkte, dass Höcker-, Sing- und Zwergschwäne unter Schutz gestellt wurden, die Bejagung nachließ und schließlich gänzlich verboten wurde.
Foto ( Autor ) : Höckerschwäne sind heute "zahme Wildvögel" geworden - sie blieben aber wehrhaft - wie hier auf der Möweninsel im Sibbersdorfer See
Holger Jürgensen